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über Autoren-Agenturen

Otto-Friedrich-Universität Bamberg WS 2000/2001
Fakultät: Sprach- und Literaturwissenschaft
Studiengang: Diplom Germanistik/Literaturvermittlung
Thema der Diplomarbeit: "Autoren-Agenturen auf dem deutschen Literaturmarkt"
Betreuung der Diplomarbeit: Prof. Dr. Hans-Peter Ecker
Diplomandin: Tanja Warter

Fragen zur Diplomarbeit
"Autoren-Agenturen auf dem deutschen Literaturmarkt"
Beantwortet von Artur Becker

1. Das Feuilleton erhebt ab und an seine Stimme und lässt verlauten, dass es für junge Autoren chic und selbstverständlich sei, einen persönlichen Agenten zu haben.
Sehen Sie diesen Trend und die Tendenz zum persönlichen Dienstleister unter jungen Literaten bestätigt?

Ja, aber: Der Grund dafür, dass junge Autoren einen Agenten haben, ist einfach der, dass ein Agent viel besser mit den Verlagen verhandeln kann, insbesondere in solchen Fällen, wenn es sich um ein Debüt handelt. Ich habe viele Jahre bei einem kleinen Verlag veröffentlicht, dann kam einfach der Zeitpunkt, wo es klar wurde, dass ich einen großen, kommerziellen Verlag brauchte. Wenn man schon ein paar Bücher geschrieben und veröffentlicht hat, verschickt man nicht wild und nach Laune seine neuen Texte: man muss einen Agenten haben, der einen Überblick über die Szene hat und dann den passenden Verlag findet. Bei mir waren fünf verschiedene Verlage im Gespräch, und der beste hat einfach zugeschlagen: Hoffmann und Campe. Es geht nicht nur darum, dass er die größte Summe gezahlt hat, sondern auch darum, dass er zu mir als mein neuer Verlag sofort absolutes Vertrauen hatte: das ist für einen Autor, der den Verlag wechselt - von der Kreisklasse in die erste Liga - sehr wichtig. Außerdem sind unsere deutschen Verhältnisse in der Beziehung Verlag und Autor sehr amerikanisch geworden. Die deutschen Verlage, die die in den Sechzigern Geborenen veröffentlichen, nehmen einen Autor ohne Agenten oft nicht ernst und wahr, zumal die Agentur durch die Entscheidung, einen Autor zu vertreten, schon automatisch ein Qualitätszeugnis ausstellt: »Dieser Autor ist gut«, sagt der Agent zu einem Verleger. »Wollt ihr ihn haben?«

2. Gerne würde ich einige Details darüber erfahren, wie Sie den Weg zu einer Agentur fanden. Seit wann werden Sie von Ihrer Agenten vertreten? Wie kamen Sie zur Kooperation mit Ihrer Agentur? Was hat Sie dazu bewogen, sich von einem Agenten beraten zu lassen?

Darüber könnte ich eine Autobiographie schreiben, wie es dazu kam, dass ich einen Agenten fand. Ich fasse mich kurz: Mein Exlektor vom Bremer STINT Verlag hat mir dazu geraten: Das Veröffentlichen in einem kleinen Verlag hatte keinen Sinn mehr, weil ich mich nicht mehr entwickeln konnte. Und wenn man so will, war mein STINT Lektor auch gleichzeitig mein Mäzen und Berater, er hat mich literarisch bis zu dem Punkt geführt, wo ein junger Autor seine Ausbildung abschließt und nun mit Agenten und großen Verlagen zusammenarbeiten kann. Ich hatte ja keine Ahnung, wie man einen kommerziellen Verlag findet. Bernd Gosau hat sich dann bei zwei Agenturen schriftlich gemeldet, und Herr Pöppl war einfach schneller als Frau Graf. Jetzt die Zeitangaben: von 1990 bis 1999 beim STINT Verlag und bei der STINT Literaturzeitschrift Bremen, 1997 erste Buchveröffentlichung mit 29 Jahren, seit 01.01.00 bei der literarischen Agentur von Ulrich Pöppl, seit Mai 2000 bei Hoffmann und Campe, August 2001 mein zweiter Roman und 5. Buch insgesamt bei HoCa (die 3 anderen sind Gedichtbände).

3. Wie eng ist das Verhältnis zu Ihrem Agenten? Welchen Stellenwert nimmt er in Ihrem schriftstellerischen oder privaten Leben ein?

Sehr eng. Wir sehen uns selten, aber wir sind ständig im telefonischen Kontakt. Außerdem ist da eine gewisse Distanz nötig. Der Autor muss sich immer zurückziehen, wenn er schreibt. Das versteht ein Agent sehr gut. Auch der Verlag.

4. Welche Erfahrungen haben Sie als junger Autor mit Lektoren und Verlegern gemacht, bevor Sie einen Agenten hatten?

Ich glaube, diesen Zustand, der in der Frage formuliert wird, gibt es nicht. Selbst bei kleinen Verlagen gibt es Lektoren oder Herausgeber, die entscheiden, welches Buch veröffentlicht wird - eine Veröffentlichung trägt immer die Stigmata eines Verlages: Firmenname, die ästhetisch-künstlerischen Vorstellungen des Verlages usw. Es hilft nichts, auch wenn man Talent hat und gute Texte schreibt, wenn der Autor ein Nobody ist. Vollkommen sinnlos ist es, seine Texte unverlangt an die Verlage zu verschicken, egal ob sie klein oder groß sind. Aber Autoren, die Talent haben, werden immer entdeckt: von kleinen Verlagen, von Zeitschriften, von Agenten und schließlich von kommerziellen Verlagen. Ich kann nur sagen, dass ich bis jetzt immer Glück hatte. Meine Lektoren kennen mich oft besser als meine Freunde und oder gar Familie.

5. Wie würden Sie jetzt die Beziehung zu Ihrem Lektor, Ihrem Verleger beschreiben? Ist sie distanzierter, professioneller, sachlicher, kurz: einfacher, da weniger emotional gefärbt oder finanziell unbelastet? Hat sich etwas verändert?

Ich habe sehr gute Beziehungen zu meinem Verlag und Lektor. Da muss alles stimmen. Der Erfolg eines Buches hängt nicht alleine von seiner guten handwerklichen Qualität ab. Der Autor schreibt besser, wenn er weiß, dass der Verlag und der Agent alles, aber wirklich alles, tun werden, damit das Buch gut wird: es ist eine Symbiose, die man da angeht, als Schreibender. Und manchmal ist der Termindruck gar nicht so schlecht: per Vertrag muss ein Buch zu einem bestimmten Termin abgeliefert werden. Das ist sehr gut, weil der Autor diszipliniert arbeiten muss. Schreiben bedarf einer großen Disziplin. Die Musen aus dem Tal des Helikon helfen keinem Schriftsteller, wenn er nicht jeden Tag hart arbeitet.

6. Fällt das Schreiben eines neuen Buches leichter mit dem Wissen, einen Agenten zu haben, der Sie konstruktiv kritisiert und Ihnen Verhandlungen um Vorschüsse und Tantiemen abnimmt?

Nein. Schreiben hat nichts mit Geld zu tun: das Veröffentlichen hat was mit Geld zu tun. Klar - es schreibt sich etwas entspannter, wenn man nicht nebenbei jobben muss (ich denke nur an das Ausschlafen ...). Aber man kann noch soviel Geld auf dem Konto haben: Max Frisch hat immer gesagt: Ich setz mich hin und gucke, ob mir etwas auf der Schreibmaschine gelingt. Das gilt noch heute. Jedes Mal muss der Autor neu anfangen, mit jedem Buch. Wer da nur ans Geld denkt, wird scheitern. Schreiben ist ein großes Risiko. Man kann sich ruinieren oder reich und berühmt werden. Ein Agent kann auch keine Unterstützung sein. Auch wenn er ein Freund ist. Denn nur der Autor muss ja bekanntlich selbst - alleine - den Text schreiben. Und beim Lektorieren wird so vieles geändert kritisiert, ersetzt usw. Das ist normal. Das gehört zum Entstehungsprozess eines Buches. Aber der Schriftsteller und Dichter ist immer einsam. Meditativ einsam. Mit dem Text. Mit der Fiktion. Mit der Wirklichkeit.

7. Welche Aufgaben sollten Literaturagenten für Ihre Autoren übernehmen?

Sämtliche organisatorische: Finanzen, Verträge (in erster Linie), Vermittlungen an die Presse, Institute, ans Fernsehen usw., Planungen, welche Texte wann am besten erscheinen sollen. Alle Entscheidungen werden aber zusammengetroffen: Autor, Agent und Verleger entscheiden zusammen, über die Zukunft des Autors. Der Agent hat manchmal andere Argumente zu bestimmten Produktionen, und wenn er ein guter Agent ist, achtet er sehr darauf, dass für den Autor keine Nachteile bei einer Buchproduktion entstehen. Im Grunde genommen ist dieses Gespann Agent und Verleger das Entscheidende, weil beide für sich Vorteile schaffen wollen, und so ist der Autor sicher, dass er von keiner Seite benachteiligt wird, weil ständig auf alles aufgepasst wird. Dieser bürokratisch-juristische Kram ist sehr verwirrend und hat eigentlich nichts mit Literatur zu tun. Deswegen ist es eine Erleichterung, dass für einen Autor so viele Menschen arbeiten, nicht nur der Verlag, sondern auch ein Agent mit seinem Büro.

8. Wie wichtig ist in Ihren Augen die Medienpräsenz eines Autors? Wurde diese Präsenz von Ihrer Agentur gefördert?

Heute sehr wichtig. Wenn man in Klagenfurt nicht gelesen hat, wird man oft ignoriert. Es gibt Spielregeln, wie in jedem Geschäft, und die Zeiten sind vorbei, als der Dichter litt und exzentrisch war. Literatur ist zum richtigen Geschäft geworden. Der Autor muss sehr aufpassen, dass er das Wichtigste aus dem Gesichtsfeld nicht verliert: nämlich das Schreiben, was wir Schriftsteller angeblich schon seit etwa viertausend bis fünftausend Jahren tun. Die zweite Frage ist komisch: ein Agent lebt von seinen Autoren, also tut er alles, was in seiner Macht steht, um seine Autoren zu fördern!

9. Immer wieder geistern Gerüchte von exorbitanten Summen für noch nicht geschriebene Manuskripte auch deutscher Autoren durch die Literaturszene. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung, sehen Sie Gefahren, oder sind dieser Trend zu begrüßen?

Die Gerüchte stimmen, ich kenne selbst solche Autoren, oft ist ihre Schreibe wirklich zum Bedauern, einfach langweilig. Es gibt wenig Autoren, die wirklich was zu sagen haben. Dass jemand schreiben kann, ein Buch macht, genügt nicht. Die Literatur fängt dort an, wo dem Leser Wichtiges interessant vermittelt wird: Der Dichter muss einfach etwas zu sagen, zu erzählen haben. Die Verlage wollen Geld verdienen: sie haben zur Zeit die jungen Deutschen entdeckt, weil sich das Zeug verkauft. Aber man wird erst in ein paar Jahren oder noch später sehen, was wirklich von dieser neuen Literatur bleiben wird. Und die Verlage sind gnadenlos: was nicht läuft, wird auch nicht angeboten. Ganz einfach. Schließlich ist immer noch der Leser derjenige, der über alles entscheidet. Und das ist auch gut so. Na ja - ich habe manchmal auch mit dem Kopf geschüttelt: Ein paar Geschichten, ein Exposé für einen Roman, und schon hat man eine ordentliche Vorschusssumme zusammen. Das ist oft der Fall. Viele Verlage können sich so etwas leisten. Nur die wirklich guten wie HoCa sagen: Nein, das müssen wir nicht veröffentlichen, obwohl der Autor schreiben kann und eigentlich gut ist. Bei meinem Verlag kommt es immer noch darauf an, ob eine Geschichte einfach schön ist: lesbar, für den Leser geschrieben, und nicht für eine Elite. Ich nehme hier Gedichte heraus. Gedichte schreibe ich auch für eine Elite (für andere Dichter und für Leser, die von Lyrik etwas verstehen). Prosa muss man für jeden, der lesen kann und Geschichten mag, schreiben. Die Amerikaner führen uns seit mehr als einem Jahrhundert vor, wie man für den Leser erzählt.

10. Zur Frankfurter Buchmesse 1998 titelte ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, "Sage mir, wo ich bin und ich sage Dir, wer ich bin". Es ging dabei um den Kauf von Verlagen durch Konzerne, der damals verschwiegener, weniger offensiv betrieben wurde. Wie beurteilen Sie die zunehmende Konzernzugehörigkeit von Verlagshäusern?

»Sage mir ...« - das ist Philosophie. Damit habe ich nichts zu tun. Ich bin Schriftsteller und kein Wissenschaftler. Jetzt zu dem monopolistischen Geschäftsdenken: Diese Tendenz macht vor nichts halt. Immer mehr Kapital gehört einem Konglomerat von verschiedenen Firmen. Und da man mit Büchern bzw. mit Medien einen Haufen Geld verdienen kann, ist das merkantile Ziel ganz einfach: Kontrolle. Der Autor mag sich in diesem merkantilen Gewusel vollkommen verloren vorkommen. Das ist wahr. Schließlich hat sich einiges geändert seit Gutenberg. Aber meine Devise ist universell: Der Dichter hat zu schreiben. Irgendwann stellt er sein neues Buch ins Regal und schreibt ein neues. Und ich habe keine Angst davor, dass ich von großen Konzernen manipuliert werde, denn zum Schluss zählt nur das Verhältnis zwischen dem Autor und seinem Lektor: Sie machen das Buch, nicht der Verlag, und schon gar nicht ein Konzern oder eine Gruppe von Geschäftspartnern wie zum Beispiel im HoCa-Fall die Ganske-Gruppe, zu der u.a. der DTV gehört.

 

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