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Die Zeit der Stinte

Buchkultur. Heft 121 – Dezember 08 / Januar 09

Refugium im Nirgendwo

Von Hans-Dieter Grünefeld

Verlust ist nicht endgültig. Deshalb schickt Artur Becker sein Alter Ego Kuba, Programmierer aus Bremen, auf Urlaub nach Masuren, um dort Erklärungen für den Tod der geliebten Marta einzufordern. Sie ist auf der gemeinsamen Flucht vor dem polnischen Geheimdienst nach Deutschland ertrunken, im Dadajsee. Nun, im dritten Roman zu dieser Thematik, ist der Tod im Dadajsee ein Emblem für die Resignation der engagierten Solidarność-Generation.
Artur Becker hat einen langen epischen Atem. Späht in viele Winkel polnischer Provinzgeschichte, wobei der komplexe Zusammenhang des Personals und die Spannung bis zur Aufklärung von Martas Tod stets in souveränem Erzählstil präsent sind. Intensives Lokalkolorit steigert das Interesse an der Lektüre.
Obsessiv forscht Kuba mit »Wodka und Messer« nach Verrätern seiner Flucht und deren Komplizen. Das Schweigen alter Kumpel und neuer Honoratioren seines Heimatdorfes bricht zwar allmählich, Schuldige sterben bei einem Bootsunfall (oder war es Mord?) auf dem Dadajsee, doch Kuba (polnisch für Jakob, in Anlehnung an den biblischen Streiter Gottes) empfindet kaum Gerechtigkeit. Nur eine unstillbare Sehnsucht nach Marta, die ihm in der frappierend ähnlichen Hoteldirektorin Justyna begegnet und seine Liebe sozusagen wieder auferstehen lässt.
Doch gerade diese Kombination aus politisch motivierter Kriminal- und Liebesgeschichte hat keine befriedigende Perspektive, denn der Roman ist ein Fragment. Die letzten, sehr kurzen Kapitel deuten bestenfalls vage an, ob die gesicherte Position als Programmierer oder die Rückkehr ins träge Dorfleben nach zwanzig Jahren Exil das quälende Gefühl von Heimatlosigkeit in einer Beziehung mit Justyna auflösen können. Am Ende hat Kuba nur die Alternative: »Als Lebendiger wirst du im Bungalow der Hoteldirektorin Justyna treffen – als Toter Marta.« Offenbar gibt es keine Heimat für Solidarność-Ideale, auf die Artur Becker gerne mit Zitaten von Czesław Miłosz verweist, damals das intellektuelle Gewissen in Polen. Nur ein mystisches Refugium im Nirgendwo.

 

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