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Die Berliner Literaturkritik, 6.7.09

LeseLenz-Festival –
Zum 12. Mal ging das Literaturfestival LeseLenz in Hausach über die Bühne

Von Urs Heinz Aerni

»Nicht ärgern, nur wundern« lautete das Motto eines Onkels der Schweizer und tschechischstämmigen Schriftstellerin Erica Pedretti, der drei Kriegslager überlebte. Ein Satz, der während des 12. Literaturfestivals LeseLenz in Hausach immer wieder zitiert wurde.
Rekorde bei Publikumsaufmarsch und Anlassdauer
»Geschichte & Geschichten« hieß das Motto eines Festes rund ums Gedruckte, das in der beschaulichen Schwarzwaldstadt eine rekordverdächtige Besuchermenge anzog. Initiator und Schriftsteller José F. A. Oliver begrüßte vor jedem Programmblock mit seiner unvergleichlichen Gastgeberart die Menschen, die da der literarischen Worte harren. Eine reiche Palette zwischen berühmten und zu entdeckenden Namen bot auch 2009 der LeseLenz.
Nach der nicht enden wollenden Eröffnung durch die Lesung von Arnold Stadler aus dem Roman »Salvatore« (Suhrkamp) mit projizierten Filmausschnitten eines Pasolini-Films mit Action-Painting des Künstlers David Alcántara ließ sogar einem messegeeichten Katholiken die Geduld wegerodieren, auch wenn die Kombination von Literatur mit Film und bildende Kunst neue Assoziationen zuließ. Aber eben, »nur wundern«.

Entdeckung im »Zum Löwen«

Wett wurde dieser kleine Makel allemal durch das nachfolgende Programm gemacht. Schon gleich die erste Autorin am Lesemarathon tagsüber im Restaurant »Zum Löwen« muss zu den Höhepunkten gezählt werden. Die Rede ist von Saskia Fischer aus Berlin. Ihre Gedichte aus dem Band »Scharmützelwetter« (Suhrkamp) ließ jeden Kenner der poetischen Kunst mit Neugier auf Ungewöhnliches aufhorchen. »Du spieltest dem Cello den Bogen zu« heißt es in dem »Gedicht mit Bleistift«, »in sauberen Tönen dein Nein«. Saskia Fischer muss unbedingt in Bälde mehr von sich hören lassen.

Osteuropa im Schwarzwald

Osteuropäische Literatur Deutscher Zunge könnte man die Lesungen von Klaus F. Schneider aus Siebenbürgen (Rumänien), Aleš Šteger aus Slowenien, Artur Becker aus Polen und sein Landsmann als Überraschungsgast Dariusz Muszer. Die Skurrilitäten, die schrägen Geschichten mit viel Herz und beißende Ironie verleiteten zum Lachen und zum rauschenden Applaus. Artur Becker genoss diesen sichtlich und bedankte sich mit Winken in einer Siegerpose, als läge ein anderer K.O. hinter ihm auf den Brettern. Kein Wunder, denn er las dergestalt, dass die rund 150 Lauschenden anschließend mit leicht verklärtem Blick eines K.O.-Geschlagenen den Büchertisch stürmten.
Des Weiteren garantierten Namen wie Jan Wagner, Katharina Hacker, Monique Schwitter, Clemens Berger und Klaus Merz für einen literarischen Wechselgesang in enger geografischer und zeitlicher Dichte, wie man sie eben vom LeseLenz gewohnt ist.

Literatur an Schulen und im Rathaus

Zu den weitere Facetten dieses Festivals gehören auch die Kooperationen mit den Schulen, an denen die Schreibenden vor Klassen lesen und über ihr Handwerk reden, sowie die Reihe »Vielstimmiges Afrika«, betreut von Illja Trojanow. Zu Gast aus Sansibar war Abdulrazak Gurnah, mit großem Erfolg in einem vollen Ratshaus. In der Schule könnte von einer Panne die Rede sein, als ein Lehrer alles, was die Schriftstellerin sagte als didaktische »Botschaft« mit Zeigefingermentalität wiederholte. »Nicht ärgern, nur wundern« seien hier Pedrettis Worte zitiert.
Wenn gar die Moderation zum Literarischen Programm wird
Zum Schluss las Peter Kurzeck in seinem typischen Singsang seine rhythmische aufzählende Art von Prosa, dahinrollend, ja fast leiernd, bis Worte und Momente überraschten und irritierten. Eine sonderliche Literatur, die sich von der gewöhnlichen Erzählform abhebt und so manches literarische Musikgehör verzaubert. Die Anmoderation dazu kam vom österreichischen Schriftsteller Heinz D. Heisl, und sie gelang ihm so treffend, dass Kurzeck ihn am anschließenden Aperitif bat, diesen Text doch dem Verlag zu schicken.
Es gibt Menschen, die reisen nach Klagenfurt in die Bachmann-Arena. Da wo Sieg und Niederlage alles bedeuten. Aber es gibt Menschen, die jedes Jahr nach Hausach reisen, um dem fantasie- und gehaltvollen und literarischen Wort Bewunderung und Applaus zu zollen.
Schlusswort: Das Herz vom LeseLenz bildet José F. A. Oliver und sein Team. Aber etwa Dreiviertel davon stammt von der Mitbegründerin Gisela Scherer, die leider schwer erkrankt ist. Es sei ihr auf diesem Wege gedankt und die besten Besserungen gewünscht, die es nur geben kann.

© Die Berliner Literaturkritik

 

 

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